Bis vor wenigen Jahren sahen die Bewertungen für die Läufer relativ simpel und überschaubar aus: von den Preisrichtern gab es Punkte von 0 bis 6.0 als Höchstnote. Es gab eine A Note für die technischen Elemente und eine B Note für die Interpretation. Doch ein Ereignis, welches das Fass zum Überlaufen brachte, führte zu einer Revolution im Eiskunstlaufen und bringt jedes Jahr neue kleine Veränderungen mit sich. Der ausschlaggebende Punkt waren die olympischen Winterspiele von 2002 in Salt Lake City, wo bestimmte Länder sich offensichtlich so stark unterstützten, dass am Ende nicht der bessere gewann, sondern derjenige mit der größeren Lobby. Das alte Wertungssystem machte das möglich, und somit musste ein neues her, ein „sicheres“. Seitdem haben die guten alten Karten ausgedient und die Computertechnik fand auch im Eiskunstlaufen ihren Einzug. Das macht die Bewertung nicht unbedingt einfacher, denn es gibt kaum eine Sportart, bei der ein so komplexes Gremium hinter der Bande sitzt und die Leistungen der Athleten bewertet. Die Hauptakteure sind das „technical panel“ (Technisches Panel) und die „judges“ (Preisrichter). Das technische Panel besteht aus:
• dem technischen Spezialisten
• dem Assistenten des technischen Spezialisten
• dem technischen Kontroller
Diese drei Fachleute sind dazu da, um die ausgeführten Elemente der Athleten, d.h. Sprünge, Pirouetten und Schritte zu identifizieren und sie dem entsprechenden Schwierigkeitsgrad, den Level 1 bis 4 zuzuordnen. Unterstützung bekommen sie dabei vom Video Operator, dem Daten Operator und dem Video Replay Operator. Diese helfen dem technischen Panel, die Daten in ein Computersystem einzugeben und den Preisrichtern hochaufgelöste Zeitlupenaufnahmen zu besorgen. So kann man unmittelbar nachdem der Läufer sein Programm absolviert hat, per Zeitlupe und Zoom bestimmte Elemente nochmals anzuschauen, um zu bestimmen ob die Umdrehungen bei einer Pirouette vollständig waren, oder ob ein bestimmter Sprung von der richtigen Kante abgesprungen wurde. Hier bleibt wirklich kaum ein Detail unbemerkt, und mit der Zeit werden die Anforderungen an den Athleten immer detaillierter. Nachdem das technische Panel nach besten Wissen und Gewissen die Elemente kontrolliert hat, geben die Preisrichter ihre Bewertung für die Elemente ab und geben zusätzlich Punkte für deren Qualität. Hier gibt es eine Einstufung von +3 für besonders gute ausgeführte, und -3 für eine sehr schlechte Ausführung der Elemente. Neben den technischen Elementen gibt es auch noch die Programmkomponenten. Hier werden Eislauffertigkeit, Verbindungselemente, Präsentation, Choreographie und Interpretation bewertet. Die Skala reicht von 0,25 als niedrigste und 10 als höchste Stufe. Das Endergebnis setzt sich schließlich aus den Gesamtpunkten der technischen Elemente und den Gesamtpunkten der Programmkomponenten zusammen. Obwohl die Bewertungen um einiges mathematischer geworden sind, kann man es dennoch nicht vermeiden, dass in den Punkten der Programmkomponenten ein kleiner Spielraum offen bleibt und subjektive Empfindungen einfließen. Trotzdem hat das neue Wertungssystem sehr viel Positives für diese Sportart gebracht. Eiskunstlaufen ist um einiges attraktiver geworden. Elemente die früher im Hintergrund standen, haben an Wichtigkeit dazu gewonnen, und es geht nicht mehr hauptsächlich nur um die Sprünge. Eine Sprungmaschine, die ein großes Manko in der Lauftechnik und bei den Pirouetten hat, wird es wahrscheinlich schwer bis ganz nach oben an die Weltspitze schaffen. Andersrum wird ein supereleganter aber nicht so sprungstarker Läufer ebenfalls Probleme haben bis ganz nach oben zu kommen. Große Sieger sind heutzutage Allrounder bei denen das Gesamtpaket stimmen muss.
(Artikel aus Ice Affais Nr. 13)