Wie oft hören das Sportler immer wieder. Anfangs ärgert man sich noch drüber, doch irgendwann belächelt man diese Kommentare. Vom heimischen Sofa aus vor dem Fernseher geht diese Meinung genauso schnell und einfach über die Lippen, wie der Handgriff in die Chipstüte. Genau so leicht lässt sich auch jegliche andere Kritik ausüben, wie: „Die fällt ja nur hin“, oder: „die ist ja mehr auf dem Hintern als auf den Beinen!“
Fakt ist: Eiskunstlaufen ist einer der schwierigsten Sportarten der Welt. Hier kommen so viele verschiedene Fähigkeiten und Fertigkeiten zusammen, die man bereits im Kindesalter erlernen muss, um dann im Idealfall als Erwachsener sich an der Weltspitze wieder zu finden.
An erster Stelle sind Motivation, Ehrgeiz und Fleiß wichtige Komponenten, denn Talent ist nicht alles. Begabung, Talent und vorteilhafte körperliche Eigenschaften sind eher als ein kleiner Bonuspunkt zu betrachten, auf den man sich aber nicht gänzlich verlassen sollte. Zurück zum Gesamtpaket Eiskunstlauf; Was kommt hierbei alles zusammen? Abgesehen von Motivation, Ehrgeiz und Fleiß, welche nur eine Seite der wichtigen Faktoren darstellen, braucht es eine Vielzahl an körperlichen Eigenschaften, die man aufbauen muss. Koordination spielt eine sehr wichtige Rolle. Ein kleines Beispiel hierfür: Um auf dem Eis einen Sprung erfolgreich ausführen zu können, muss man, ohne in genaue Details abzudriften, auf folgende Dinge aufpassen: In der Vorbereitungsphase des Sprungs Anlauf nehmen, das geschieht entweder in Laufrichtung nach vorne oder rückwärts. Dann kommt der Schritt, der am Ende zum tatsächlichen Sprung führen soll. Man wechselt zwischen Einwärtskante und Auswärtskante der Kufen, mit der Gewichtsverlagerung zwischen Ballen und Ferse. Zur gleichen Zeit bewegen sich die Arme, entweder aus technischen oder ästhetischen Gründen. Bruchteile von Sekunden vor dem Effektiven Sprung kommt es dann zum wichtigen Zusammenspiel von Armen, Beinen, sowie Schultern, Hüften und Kopf, kurz gesagt: dem ganzen Körper. Man verlagert das Gewicht auf eine bestimmte Kante und auf einen bestimmten Teil der Schiene, man beugt das Knie, nicht zu viel, nicht zu wenig, sondern genau bis zu einem richtigen Punkt. Die Hüfte und die Schultern befinden sich in einer ganz bestimmten Position. Ein Arm zeigt in eine Richtung, der andere Arm zeigt in eine andere Richtung. Dann, im richtigen Moment spielt der ganze Körper zusammen und in einem Bewegungsfluss springt man ab.
In der Sprungphase bringt man dann seinen Körper in die Sprungrichtung und dreht sich um seine eigene Achse. Die Beine werden eng gekreuzt, die Arme an den Körper herangezogen. Nach drei Umdrehungen in der Luft öffnet man dann schlussendlich die Arme und landet auf nur einem Bein, wieder auf einem bestimmten Teil der Schiene, auf einer bestimmten Kante. Einfach oder? Das ist nur ein einfaches Beispiel, für nur einen Sprung. Im Eiskunstlaufen gibt es sechs verschiedene Sprünge, die sich in Anlauf und Ausführung unterscheiden. Dazu kommen noch Pirouetten und Schritte, die es in einfacher Ausführung gibt, im Idealfall aber aufgrund der dafür entsprechenden höheren Punktezahl immer in schwierigen Positionen, Variationen und Geschwindigkeit ausgeführt werden sollen. Das betrifft die technischen Elemente.
Die Koordination ist also überaus wichtig. Wie sieht es aber mit der Kraft und Ausdauer aus? Das sind ja nur ein paar Minuten, ein Fußballspiel dauert 90 Minuten, das kann ja also nicht so anstrengend sein, könnte man meinen. Doch in diesen nur wenigen Minuten spielt sich jede Menge ab, um nicht zu sagen eine Extremsituation. Ein einfaches Kurzprogramm besteht aus sieben Elementen, die innerhalb von 2,50 Minuten absolviert werden sollen. Hier kommt es auf Koordination, Konzentration, Kondition und Kraft an, die vereint zum gewünschten Ziel führen sollen. Während eines Wettbewerbes befindet man sich für die gesamte Dauer an der körperlichen Belastungsgrenze. Hinzu kommen Anspannung und Nervosität, die ihren Anteil zur Erschöpfung beitragen. Als Eiskunstläufer muss man also eine ausgezeichnete Fitness haben, um das gesamte Programm bis zum Schluss durchzulaufen.
Zurück aufs Sofa: wenn es mit der Zeit langweilig wird, den Eistänzern zuzuschauen, wie sie auf dem Eis ihre Kurven kratzen, dann empfiehlt es sich wahrscheinlich, den anstrengenden Griff zum Schalter zu wagen und auf „richtigen“ Sport umzuschalten.
(Auszug aus Ice Affairs Nr. 15)